Brustkrebs ist mit etwa 30 Prozent aller Krebsfälle die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Seit den 1980er Jahren ist die Zahl der Fälle um das Doppelte gestiegen: Aktuell stellen Ärztinnen und Ärzte ungefähr 69.000 Mal im Jahr die Diagnose „Mammakarzinom“ bei einer Frau. Zusätzlich werden jedes Jahr etwa 6.000 Vorstufen von Brustkrebs gefunden. Derzeit erkrankt eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs.
Der Anstieg der Erkrankungshäufigkeit liegt zum einen an der Alterung der Bevölkerung im Rahmen des demographischen Wandels, zum anderen an der Einführung eines bevölkerungsweiten Screening-Programms in diesem Zeitraum. Wie gerade dargestellt, ist das Alter einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung einer Brustkrebserkrankung. Jüngere Frauen sind nur selten betroffen, erst ab dem 40. und besonders ab dem 50. Lebensjahr erhöht sich das Risiko, um ab dem ca. 70. Lebensjahr wieder abzusinken. Das mittlere Erkrankungsalter für Brustkrebs liegt mit ca. 64 Jahren einige Jahre unter dem Durchschnitt aller Krebserkrankungen, wobei jede vierte Betroffene jünger als 55 Jahre und jede Zehnte jünger als 45 Jahre alt ist.
Risikofaktoren und Früherkennung
Allerdings ist Brustkrebs eine multifaktorielle Erkrankung. Neben dem Alter sind nach heutigem Wissensstand eine Reihe weiterer Risikofaktoren von Bedeutung. Dazu gehören eine familiäre Vorbelastung oder das Vorliegen einer krankheitsverursachenden Veränderung in einem von 18 bekannten Hochrisiko- bzw. Risikogenen, die mit erblichem Brustkrebs assoziiert sind. Zu den derzeit bekannten relevanten Genorten gehören insbesondere BRCA1 und BRCA2. Nach neuesten Erkenntnissen spielen auch sogenannte genetische Modifier eine wichtige Rolle. Hierunter wird eine Vielzahl an genetischen Varianten verstanden, die in der Summe das Brustkrebsrisiko erhöhen aber auch reduzieren können. Aber auch Lebensstilfaktoren spielen eine sehr wichtige Rolle, hierzu zählen unter anderem Bewegungsmangel, Übergewicht, ungesunde Ernährung, Rauchen, Alkohol sowie die hormonell aktive Phase einer Frau (Zeitpunkt der ersten Menarche, der Geburt des ersten Kindes und der Menopause sowie Dauer und Dosierung einer Hormonersatztherapie oder der Einnahme der „Anti-Baby-Pille“).
Wenn auch die häufigste Krebsart bei Frauen, so ist Brustkrebs aber nicht die gefährlichste. Rechtzeitig erkannt und behandelt, sind die meisten Erkrankungen heilbar. Die Sterberate ist seit Jahrzehnten kontinuierlich rückläufig. Zwar sterben über 18.000 Frauen jährlich an Brustkrebs, aber rund 87 Prozent aller Frauen mit Brustkrebs-Diagnose sind nach 5 Jahren noch am Leben.
Diese positive Entwicklung hat zum einen mit der verbesserten Früherkennung zu tun, weswegen Tumoren schon in einem frühen, noch gut behandelbaren Stadium erkannt werden, aber auch mit den Fortschritten in der Therapie. Operative, strahlentherapeutische und medikamentöse Therapiekonzepte sind heutzutage gezielter, individueller abgestimmt und oft weniger belastend als früher. Und auch die interdisziplinäre Betreuung der Patientinnen in zertifizierten Zentren ist heutzutage Standard bei der Behandlung
Um die Früherkennung möglichst effektiv gestalten zu können, ist es sinnvoll, diese an das individuelle Erkrankungsrisiko anzupassen.
- Derzeit etabliert für Frauen der Allgemeinbevölkerung ist das allgemeine Mammographie Screening vom 50.-69.Lebensjahr, welches im 2 Jahres Intervall angeboten wird.
- Frauen mit familiärer Vorbelastung oder sehr frühen Krebserkrankungen, welche dagegen die Einschlusskriterien für erblichen Brust- und Eierstockkrebs erfüllen, wird eine genetische Beratung sowie Testung angeboten (Abbildung 1). In Abhängigkeit des Befundes erfolgt hier ein Einschluss in hoch spezialisierte, intensivierte Überwachungsprogramme an zertifizierten Zentren für erblichen Brust- und Eierstockkrebs (FREBK Zentren). Die aktuelle Datenlage zeigt einen nachweislichen Überlebensvorteil bei Teilnahme an den entsprechenden Überwachungsprogrammen.
- Insbesondere für Frauen vor dem 50. Lebensjahr, welche noch nicht im Mammographie Screening überwacht werden, aber auch keine Indikation für eine weiterführende genetische Abklärung haben, stellt sich die Frage, ob eine vorzeitige bildgebende Überwachung erforderlich ist. Die Entscheidung sollte vom individuellen Erkrankungsrisiko abhängig gemacht werden.
Empfehlungen für Brustkrebs-Früherkennung: Unterscheidung nach Risikogruppen.
In England beinhalten die Empfehlungen für Brustkrebs-Früherkennung bereits eine Unterscheidung nach Risikogruppen. Frauen mit einem durchschnittlichen Lebenszeitrisiko für Brustkrebs unter 17% bzw. mit einem 10-Jahres Risiko <3%, sollen am allgemeinen Mammographie-Screening teilnehmen. Beträgt das Lebenszeitrisiko 17–30% (bzw. 10-Jahres Risiko 3-8%), soll die Früherkennung früher begonnen und vor allem jährlich durchgeführt werden. Frauen mit einem Lebenszeitrisiko über 30% (10-Jahresrisiko >8%) gelten als Hochrisikogruppe und sollten an spezialisierten Zentren überwacht werden. Für die Berechnung dieser Wahrscheinlichkeiten soll laut den englischen Richtlinien des National Institutes for Health and Care Excellence (NICE) ein Risikomodell mit guter Kalibrierung und Diskrimination verwendet werden, beispielsweise BOADICEA .
Auch in Deutschland haben individualisierte Ansätze bereits Eingang in die Empfehlungen gefunden, wenngleich diese noch nicht fest verankert sind und bisher kaum umgesetzt werden. Die festgelegten Lebenszeitrisiken orientieren sich an den englischen Empfehlungen, siehe hierzu Abbildung 3 im Anhang.
Im Rahmen einer individuellen Risikoberechnung mittels BOADICEA, als bisher einziges zertifiziertes Risikokalkulationsprogramm, bieten wir Ihnen die Ermittlung Ihres individuellen Brustkrebsrisikos und Festlegung einer angepassten Früherkennung.
Indikatoren für einen Gentest
Bei den folgenden Familienkonstellationen ist ein Gentest auf Genveränderungen in den Risikogenen indiziert. Die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Genveränderung beträgt bei diesen Familienkonstellationen (sog. Hochrisikofamilien) über 10%.
FAMILIEN MIT
- mindestens drei an Brustkrebs erkrankte Frauen aus der gleichen Linie einer Familie, unabhängig vom Alter der Erstdiagnose
- mindestens zwei an Brustkrebs erkrankte Frauen aus der gleichen Linie einer Familie, davon eine mit einem Ersterkrankungsalter vor dem 51. Lebensjahr
- mindestens zwei an Eierstockkrebs erkrankte Frauen aus der gleichen Linie einer Familie
- mindestens eine an Brustkrebs erkrankte Frau und mindestens eine an Eierstockkrebs erkrankte Frau oder eine an Brust- und Eierstockkrebs erkrankte Frau
- mindestens eine an Brustkrebs erkrankte Frau vor dem 36. Lebensjahr
- mindestens eine an beidseitigem Brustkrebs erkrankte Frau, deren Ersterkrankung vor dem 51. Lebensjahr diagnostiziert wurde
- mindestens ein an Brustkrebs erkrankter Mann und zusätzlich eine an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankte Frau
- mindestens eine an einem triple-neg. Brustkrebs erkrankte Frau vor dem 60. Lebensjahr*
- mindestens eine an Eierstockkrebs erkrankte Frau vor dem 80. Lebensjahr*
*diese Einschlusskriterien wurden im Konsortium evaluiert. Ein Gentest ist bei diesen Einschlusskriterien im Rahmen von Spezialverträgen mit den Konsortialzentren möglich.
*https://www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de/informationen/gentest-einschlusskriterien/
DEUTSCHES KONSORTIUM
Familiärer Brust und Eierstockkrebs